Ihr werdet nicht gewinnen.
Ihr glaubt an das Faustrecht, an die Blutrache, an die Macht der Waffen. Ihr meint, die Stärkeren zu sein in einem Kampf, den ihr als Kampf von "Gut" gegen "Böse" wahrnehmt - und in dem ihr selbstverständlich die Guten seid. Die Bösen, das sind wir anderen. Wir, die wir eine andere Auffassung davon haben, wie wir unser Leben leben möchten. Ihr glaubt, daß wir mit dieser Auffassung euren Gott beleidigen, und daß dieser Gott von euch gerächt werden muß. Oder vielleicht glaubt ihr das in eurem Inneren auch gar nicht, sondern seid nur trunken von der Macht, die ihr mit euren Waffen über uns zu haben glaubt. Und ihr würdet diese Waffen für jede andere Ideologie genauso einsetzen, oder auch einfach nur so zum Spaß. Was auch immer davon jetzt die Wahrheit ist - es ist eigentlich egal.
Ihr werdet nicht gewinnen. Nicht direkt. Nicht indirekt. Und schon gar nicht persönlich, falls es euch tatsächlich darum gehen sollte.
Nicht direkt: Glaubt ihr wirklich, daß ihr alle euch unbequemen Stimmen dieser Welt zum Schweigen bringen könnt, indem ihr zwölf Menschen in einem Büro in Paris abschlachtet?
Die Bilder und Stimmen, die aus Paris, aus Frankreich, aus Europa, aus der ganzen Welt zu sehen und zu hören sind, sagen etwas anderes. Die Reaktionen im Netz und in den "klassischen" Medien sprechen eine andere Sprache. Und es hat in der Geschichte dieser Welt zu jeder Zeit und unter jedem Regime Menschen gegeben, die nicht geschwiegen haben. Die Unrecht als solches benannt haben, die für ihre Freiheit aufgestanden sind und die das, was sie als ihre Menschenrechte wahrgenommen haben, eingetreten sind. Sie mögen zu manchen Zeiten wenige und leise gewesen sein, sie mögen im Extremfall mit ihrem Leben dafür bezahlt haben - aber kein Tyrann und keine Diktatur hat sie jemals komplett zum Verstummen bringen können. Und auch euch wird das nicht gelingen. Denn Menschen können über sich hinauswachsen, wenn man ihnen etwas nehmen will, das sie lieben. Und die meisten Menschen lieben ihre Rechte, allen voran die Freiheit.
Nicht indirekt: Glaubt ihr wirklich, daß ihr diese euch verhasste Gesellschaft dazu bringen könnt, sich selbst die Freiheit zu nehmen?
Natürlich kommen sie jetzt aus ihren Löchern gekrochen, die Rattenfänger jeglicher Couleur. Sie finden in euch den idealen Vorwand für ihre eigene Agenda, die Sündenböcke, nach denen sie so dringend suchen. Ihr werdet als Kronzeugen dafür angeführt werden, daß die Freiheit zu gefährlich ist, als daß man sie uneingeschränkt gewährleisten dürfe. Oder dafür, daß alle Menschen eures (vorgeblichen) Glaubens tickende Zeitbomben sind, die ausgemerzt oder doch zumindest möglichst weit weggeschafft gehören. Ihr seid Wasser auf ihre Mühlen, das Mittel, das ihren Traum von totaler Kontrolle oder uneingeschränkter Macht wahr werden lassen soll. Vielleicht war das eure Absicht, vielleicht habt ihr auch gar nicht so weit gedacht.
Vermutlich werden diese Verführer Menschen finden, die ihren Versprechungen von absoluter Sicherheit und einem besseren Leben glauben und sich hinter ihnen scharen. Ihr habt ihnen Angst eingejagt, und Angst ist Gift für rationales Denken. Ich hoffe, daß es am Ende nur wenige sein werden. Daß die Mehrheit der Menschen weiß, daß man Freiheit nicht dadurch bewahrt, daß man sie zerstört. Daß sie weiß, daß die meisten Menschen, egal woher sie stammen und was sie glauben, einfach nur in Frieden miteinander leben möchten. Und daß sie sich von den Weltuntergangs-Propheten und Katastrophengewinnlern ebensowenig einlullen wie von euch verängstigen läßt. Wenn nicht, dann stehen uns vermutlich unruhige und unschöne Zeiten ins Haus. Aber auch hier gilt: Niemand hat es je geschafft, die Menschen auf Dauer auf ihre Freiheit verzichten zu lassen. Und niemand hat es je geschafft, Menschen auf Dauer miteinander zu verfeinden. Freiheit und Frieden sind so starke Kräfte, daß sie sich früher oder später durchsetzen. Das werdet auch ihr nicht ändern.
Nicht persönlich: Glaubt ihr wirklich, daß ihr für eure Tat belohnt werdet, in diesem Leben oder in einem anderen?
Ihr habt den Tod von zwölf Menschen zu verantworten. Und in den Augen vieler Menschen habt ihr etwas angegriffen, was als Grundpfeiler der Gesellschaft gilt. Beides wird man euch nie vergessen, solange ihr lebt. Immer wird es Menschen geben, die euch jagen werden. Ihr werdet immer auf der Flucht sein müssen. Vielleicht werdet ihr euch zeitweilig irgendwo verstecken können, und vielleicht habt ihr für eure Tat Geld bekommen, so daß ihr in eurem Versteck sogar ein wenig Komfort haben werdet. Trotzdem habt ihr euch selbst zu Gefangenen gemacht - auch ein goldener Käfig ist und bleibt ein Käfig. Und früher oder später wird man euch aufspüren. Ich hoffe, daß die, die das tun, den Verlockungen der Selbstjusitz widerstehen können. Ich möchte, daß ihr euch vor einem irdischen Richter für eure Taten verantworten müßt. In einem rechtsstaatlichen, fairen Gerichtsverfahren - etwas, was ihr euren Opfen nicht zugestanden habt. Damit diese von euch verachtete Gesellschaft euch zeigen kann, daß ihre Werte auch für die gelten, die sie zerstören wollen. Und damit ihr eine im wahrsten Sinne des Wortes gerechte Strafe erhaltet. Das ist das eine.
Vielleicht bevorzugt ihr aber auch, euch der irdischen Gerichtsbarkeit zu entziehen. Aber selbst wenn nicht - ihr werdet früher oder später trotzdem noch vor einen anderen Richter treten und euch für eure Taten verantworten müssen, daran glaube ich fest. Denkt ihr wirklich, daß dieser Richter, dieser Gott so schwach ist, daß er auf Verbrecher wie euch zurückgreifen muß, um sich durchzusetzen? Erwartet ihr Dankbarkeit dafür, daß ihr ihm die schwere Arbeit des Einteilens in "gut" und "böse" schon einmal abgenommen habt? Der Gott, an den ich glaube, hat sich solche Einmischungen ausdrücklich und unmißverständlich verbeten, um es wohlwollend zu formulieren. Er hat nicht nur das Töten verboten, sondern verlangt im Gegenteil, daß man seinen Nächsten wie sich selbst lieben soll - und zwar auch und gerade den, den man für einen Sünder hält. Und nach allem, was ich weiß, ist mein Gott der gleiche wie euer Gott, wenn auch die Überlieferungen für uns unterschiedlich sind. Wer von uns hat denn dann Recht? Ich kann es natürlich nicht beweisen, aber nach dem, was ich glaube, habt ihr eure Überlieferung gründlich falsch verstanden und werdet da noch ein ziemlich großes Problem haben.
Ihr werdet nicht gewinnen. Auf keiner Ebene.
RT @to_je: Gebloggt: Ihr werdet nicht gewinnen http://t.co/GzordUckWy
Tracked: Jan 08, 09:00
RT @to_je: Gebloggt: Ihr werdet nicht gewinnen http://t.co/GzordUckWy
Tracked: Jan 08, 11:46
RT @to_je: @KircheHeide Auch auf die Gefahr hin, mich zu wiederholen (s. http://t.co/FPtRUNB9OT ): Ich hoffe, daß ein Gericht zum Zuge komm…
Tracked: Jan 09, 11:22